München. Mehr als 150 Teilnehmer, darunter zahlreiche Ehrengäste aus Justiz und Politik, folgten der Einladung des Bayerischen Richtervereins und des Deutschen Richterbundes in den Münchener Justizpalast zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion unter dem Titel „Brüchiges Bollwerk – Was schützt den Rechtsstaat vor Angriffen von innen?“.
In seinem einführenden Vortrag stellte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier heraus, dass das Grundgesetz eine streitbare Demokratie geschaffen habe und seine tragenden Werte und Prinzipien – anders als in der Weimarer Reichsverfassung – über Artikel 79 Abs. 3 im Rahmen der Ewigkeitsgarantie auch gegen demokratische Mehrheiten abgesichert seien. Er sprach sich gegen ein Parteiverbotsverfahren als vermeintlich leichtere Alternative der politischen Auseinandersetzung aus und appellierte an den Gesetzgeber, die Rechtsprechung als Dritte Gewalt - und insbesondere das Bundesverfassungsgericht - konkreter im Grundgesetz zu verankern und diese dadurch der Disposition der politischen Mehrheit zu entziehen. Um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu sichern, brauche es jedoch vor allem aktiv für die Demokratie eintretende Bürger, ohne die dem Rechtsstaat und der Demokratie der Verfall drohe.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Roland Kempfle, DRB-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident der Europäischen Richtervereinigung, moderiert wurde, erläuterten zunächst der frühere Präsident des Europäischen Netzwerks der Justizverwaltungsräte (ENCJ) Kees Sterk und Gerhard Reissner, vormals Präsident der Internationalen Richtervereinigung (IAJ) und des Beirates Europäischer Richterinnen und Richter (CCJE), Prozess und Inhalt der Justizreformen in Polen und Ungarn in den vergangenen Jahren. Sie wiesen darauf hin, dass Ziel dieser Reformen die Besetzung der Verfassungs- und Instanzgerichte mit politisch loyalen Richtern gewesen sei. Heribert Prantl, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, plädierte dafür, die Möglichkeiten, die die Verfassung zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorsieht, aktiv zu nutzen, und warnte gleichzeitig davor, abzuwarten, bis es zu spät ist. Papier äußerte nochmals Bedenken gegenüber einem Parteiverbotsverfahren und stellte fest: „Eine Demokratie ohne Demokraten ist genauso wenig vorstellbar wie Europa ohne Europäer.“
„Es braucht also Lösungen, dass unser Rechtsstaat nicht von innen heraus sabotiert werden kann und weiter in der Lage ist, antidemokratischen Bestrebungen standzuhalten“, resümierte die Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins Barbara Stockinger nach der Veranstaltung. Polen und Ungarn hätten vor Augen geführt, wie schnell vermeintlich stabile Rechtsstaaten kippen können, wenn illiberale Kräfte es genau darauf anlegen.