Saarbrücken. Deutschland ist Gründungsstaat der Europäischen Union und in vielen rechtsstaatlichen Fragen Maßstab für Anwärter, die Mitgliedstaaten werden wollen.
Dieser Rahmen war für den Deutschen Richterbund und den Saarländischen Richterbund Anlass, im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe „Justiz im Dialog“ am 7. Oktober 2025 darüber zu diskutieren, ob insoweit auch die deutsche Justizorganisation noch Vorbild sein kann, oder ob das schon längst andere sind. Dafür gab es einen Blick über den Tellerrand: Wie organisieren andere Länder der EU und im Europarat ihre Justiz und realisieren bestmöglich ihre Unabhängigkeit im gewaltengeteilten Staat? Die Schweiz und Spanien wurden im Detail vorgestellt und das Publikum im Landgericht Saarbrücken tauschte sich mit Peter Uebersax, Professor an der Universität Basel, und mit Lorena Bachmaier, Professorin an der Universidad Complutense de Madrid, über die dortigen Justizorganisationssysteme aus.
Eröffnet von der Vorsitzenden des Saarländischen Richterbundes Sirin Özfirat und moderiert von Ines Ritter, Richterin am Oberlandesgericht Koblenz, thematisierte die Veranstaltung, dass die Balance zwischen der demokratischen Legitimation der Justizangehörigen einerseits und deren Unabhängigkeit von den beiden anderen Staatsgewalten andererseits in den Mitgliedstaaten der EU und des Europarates unterschiedlich verwirklicht wird. Was manche als Stärkung der demokratischen Legitimation der Justiz begreifen, wenn in Entscheidungen betreffend die Justiz etwa Wahlelemente oder parlamentarische Beteiligungsrechte eingeflochten werden, begreifen andere als möglichst fernzuhaltende Einflussnahmen der Politik auf das Recht, denen gegenüber zum Beispiel eine exekutive Einflussnahme vorzuziehen sei.
Die Auseinandersetzung mit dem spanischen Modell gab Anlass zur Feststellung, dass der dortige Justizrat als oberste Justizbehörde, der Consejo general del Poder Judicial, Teil des Europäischen Netzwerks der Justizräte (ENCJ) ist. Das Netzwerk vereint nach seinem Selbstverständnis die von Exekutive und Legislative unabhängigen nationalen Institutionen der EU-Mitgliedstaaten, denen die Unterstützung der Judikative bei der unabhängigen Rechtspflege obliegt. Er hat Mitglieder, also unabhängige Justizräte, aus 21 (von 27) EU-Mitgliedstaaten. Unter anderem aufgrund der Justizorganisation mit einer exekutiven Oberbehörde und justizministerieller Aufsicht über Gerichte und Staatsanwaltschaften gehört Deutschland freilich nicht dazu. Die Frage ist perspektivisch, ob und ab wann Deutschland dieser Mehrheitsentwicklung in den Mitgliedstaaten folgen wird, hin zu einer eigenständigen Oberbehörde der Judikative, die nicht einem Ressort von vielen in der Exekutive zugeordnet wird, sondern die Unabhängigkeit der Justiz auch staatsorganisatorisch verdeutlicht. |
